Warum die Manga-Bibliothek meine Rettung war

Rauchen, snacken, und schmökern die ganze Nacht: Für viele Südkoreaner waren die Manga-Bibliotheken wie das Wohnzimmer, das ihnen Zuhause fehlte. Doch das Flair von früher könnte schon bald verschwunden sein.
Incheon – Alles, was ich zu Hause nicht durfte, durfte ich in der Manga-Bibliothek. Früher konnten Gäste rauchen. Der Chef hat Instant-Nudeln gekocht. Oder Jajangmyeon vom Imbiss bestellt. Die Bücherei war total bequem, mit Sofas aus Leder. Ich trug Jogginghose, durfte meine Füße hochlegen, die Schuhe ausziehen, und stapelweise Mangas lesen. Pro Heft habe ich 20 Cent bezahlt, für ein Heft habe ich irgendwann nur noch 20 Minuten gebraucht.
Es gab sehr viele Manga-Bibliotheken, oft 24 Stunden geöffnet. Ab und zu bin ich mit meinen Freunden gekommen, oder meinem Bruder. Aber die meiste Zeit war ich alleine da. Die anderen sind nach ein paar Stunden gegangen. Ich saß dort manchmal die ganze Nacht. Für mich war das ein Rückzugsort. Wie ein Wohnzimmer. Nur, dass es nicht um Kommunikation ging, sondern darum, sich in eine andere Welt hineinzuversetzen.
Zu Hause waren meine Eltern sehr streng. Lange wusste ich überhaupt nicht, dass Mangas existieren. Erst über meine Freunde habe ich erfahren, dass es solche Hefte gibt. Sehr gerne habe ich One Piece, Naruto und Shonan Jun’ai Gumi! gelesen. Eine der ersten Serien, die ich kannte, die mich auch geprägt hat. Wenn ich jetzt so nachdenke: Mangas für Teenies haben immer lustige und blöde Hauptprotagonisten, die nur durch Zusammenhalt und Freundschaft überleben. Diese Vorstellung im Manga hat mich geschützt vor der Situation zu Hause. Ich glaube, deswegen hatte ich daran so viel Spaß.
Die Welt der Mangas als Zuflucht für arbeitslose Männer
Mir Mangas zu kaufen, wäre sinnlos gewesen. Meine Mutter war so drauf: Wenn ich Mangas ausgeliehen und mit nach Hause gebracht habe, hat sie die Hefte zerrissen. Damit ich in der Bibliothek sagen musste: Ich habe den Manga verloren, aber hier habt ihr euer Geld. Meine Mutter wollte meinen Ruf zerstören, damit ich keine Mangas mehr ausleihen durfte. Dafür hat sie alles kaputt gemacht, was sie gefunden hat.
Die Manga Bibliothek war ein Ort ohne Frauen. Nicht, weil sie ungern gesehen waren. Aber es war ein männlich dominierter Ort. Es gab kaum Schülerinnen. Meistens Jungs oder ältere Männer, die früh arbeitslos geworden waren. Sie konnten nicht zu Hause bei ihrer Familie sein, weil sie kein Geld mitbrachten. Die Manga-Bibliotheken waren ein Fluchtort.
Die alten Manga-Häuser, wie es sie während meiner Jugend gab, werden verschwinden oder sind längst verschwunden. Meinen Lieblingsladen an der Highway-Oil-Tankstelle in Incheon gibt es schon nicht mehr. Ich habe mit meinem Bruder gesucht, ihn aber nicht mehr gefunden. Dafür haben Bibliotheken eröffnet, die teurer sind. Retro-Hipster-Läden, im Stil von Manga-Cafés. Davon wird es auch in der Zukunft noch ein paar geben. Aber sie fühlen sich nicht mehr so an wie die alten. (von Jihae)




Stöbern, hinlegen, abtauchen: der einfache Dreiklang von Südkoreas Manga-Bibliotheken. Wer eine Pause vom Ledersessel braucht, kann beim Chef des Hauses Instant-Suppe oder Tee bestellen.