Südkoreanischer Gewerkschafter: „Es war ein Versuch, die Demokratie zu zerstören“

Südkoreanischer Gewerkschafter: „Es war ein Versuch, die Demokratie zu zerstören“
Absolvierte einen zweiwöchigen Hungerstreik, um für die Situation zu sensibilisieren: Kim Dong-myung, Vorsitzender des koreanischen Gewerkschaftsbundes "Hanguk Nodong Johap Chongyeonmaeng" (Hannochong).

Die Ausrufung des Kriegsrechts sieht er als Attacke auf die Demokratie im Land: Der südkoreanische Gewerkschaftschef Kim Dong-myung fordert die Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk-yeol. Dafür tritt er sogar in den Hungerstreik.

Seoul – Die wichtigste Entscheidung steht noch aus. Seit Januar läuft das Amtsenthebungsverfahren gegen Südkoreas Präsidenten Yoon Suk-yeol – ein Urteil hat das Verfassungsgericht bislang immer wieder aufgeschoben.

In den Straßen der Hauptstadt Seoul macht sich das am Mittwochabend bemerkbar: Am Gwanghwamun, dem Südtor des Gyeongbokgung-Palastes, sind hunderte Demonstranten zusammengekommen. An einem Stand der linken Minju-Partei können sich die Protestler Suppe abholen. Eine Pappmaschee-Figur von Yoon Suk-yeol steht am Straßenrand – hinter Gittern. Aus Boxen dröhnen mal laute Redebeiträge, mal Gesangseinlagen, die bis nach Jongno-Gu schallen, dem historischen Zentrum Seouls.

In Zelten können sich Passanten Informationen zu den verschiedenen progressiven Gruppen abholen, die am Protest beteiligt sind. In einem sitzt Kim Dong-myung, Vorsitzender des koreanischen Gewerkschaftsbundes Hanguk Nodong Johap Chongyeonmaeng (Hannochong). Zur Situation im Land hat er eine klare Meinung.

 Herr Kim, Sie haben gerade einen 14-tägigen Hungerstreik absolviert. Wie kam es zu diesem radikalen Schritt?

Yoon Suk-yeol, der koreanische Präsident, hat mit der Einführung des Kriegsrechts unsere Verfassung verletzt. Yoon durchläuft zwar gerade ein Amtsenthebungsverfahren. Eigentlich sollte er jetzt in Haft sitzen. Zwischenzeitlich war er das auch – nur wurde wieder freigelassen.

Gemeinschaftlich haben sich die Anführerinnen verschiedener progressiver Bewegungen im Land für den Hungerstreik entschieden. Es geht darum, die Bürgerinnen und Bürgern zum Engagement zu bewegen. Und darum, das Verfassungsgericht dazu aufzurufen, unser Grundgesetz zu respektieren. Den Hungerstreik habe ich nur beendet, weil ich musste. Nach 14 Tagen bin ich umgekippt. 

Südkorea ist eine sehr junge Demokratie. Warum ist es Ihnen wichtig, sich in der aktuellen Situation zu engagieren?

Mir ging es nicht um die Demokratie per sé. Sondern darum, dass das Verhalten dieses Mannes seine rechtmäßigen Konsequenzen bekommt. Während Yun Seok-Yeol Präsident war, gab es unzählige Probleme. Er hat Hass gegen Frauen und benachteiligte Menschen geschürt. Es wurde eine Atmosphäre der Ausgrenzung geschaffen. Als die Leute angefangen haben, sich zu wehren, hat Yun das Kriegsrecht eingeführt und versucht, eine Diktatur zu errichten. Er brachte das Parlament unter seine Kontrolle und richtete die Waffen gegen das eigene Volk. Das war ein Versuch, die Demokratie zu zerstören.

Natürlich muss man dagegen vorgehen. Wenn aber das Verfassungsgericht entscheidet, diese Gewalt, dieses antidemokratische Verhalten zu tolerieren, wenn so etwas durchgeht, kann es immer wieder passieren. So werden die Grundrechte von Bürgerinnen beschränkt, die Wirtschaft geschädigt. Unser alltägliches Leben geht zugrunde. Ich bin Arbeiter. Aber nur, wenn die Grundrechte garantiert sind, kann auch das Recht auf Arbeit gesichert werden.

Welche Rolle können die Gewerkschaften spielen?

Es gibt zwei große Gewerkschaftsbunde in Südkorea. Neben Hannochong noch Jeonguk Minju Nodongjohap Chongnyeonmaeng (Minnochong). Zusammen haben wir etwa zwei Millionen Mitglieder, die wir vertreten und mobilisieren können. Das entspricht etwa zehn Prozent der arbeitenden Bevölkerung. In einer Situation wie jetzt, einem großen Kampf, können wir eine Türöffner-Rolle spielen. (von Julius)


Hintergrund der Demokratie-Krise in Südkorea

Seit vergangenem Dezember befindet sich Südkorea im politischen Ausnahmezustand. Damals hatte Präsident Yoon Suk-yeol das Kriegsrecht ausgerufen – weil er der Opposition staatsfeindliche Aktivitäten vorwarf. Soldaten versuchten, die Nationalversammlung gegen den Widerstand von zivilen Demonstranten zu stürmen. Zwar wurde Yoons Entscheidung noch in derselben Nacht vom Parlament revidiert. Mehrere Militärgeneräle haben seitdem ihre Posten verloren. Kurzzeitig wurde Yoon sogar verhaftet, ab April muss er sich einer Anklage wegen Aufruhrs stellen. Zudem steht noch die Entscheidung des Verfassungsgerichts im Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon aus – die letzten Zeugen wurden bereits gehört. Ein Urteil wird wohl im April erwartet.