Ruhelose Rentner am Strand

Ruhelose Rentner am Strand
Grillen will gelernt sein: Auch im Strandrestaurant bei Incheon, das Meeresfrüchte anbietet, arbeiten hauptsächlich Menschen im Rentenalter - Altersarmut ist ein großes Problem in Südkorea.

Nicht Handtuch-Touristen, sondern südkoreanische Rentner: Am Strand in Incheon sind es vor allem ältere Menschen, die den Betrieb am Laufen halten. Und das hat Gründe.

Incheon - Ohne Rentner läuft nichts an der Küste. Es ist Sonntagnachmittag, graue Wolken hängen über dem Eulwangni Beach nördlich des Flughafens Incheon. Auch die Luft ist grau, wegen des Staubs, der aus Chinas Wüste Gobi bis nach Korea weht. Familien und Jugendliche flanieren über den Sandstrand, der zu einem Drittel mit einem engmaschigen Stoff abgedeckt ist, damit sich die Menschen die Füße nicht schmutzig machen. Mini-Hunde bellen, von Golden Retrievern oder Bulldoggen keine Spur.

Ein Mann, er muss über 70 sein, klopft mit einem Meißel etwas, das aussieht wie weißer Stein. Aus der Box seines Ständchens dröhnen koreanische Schlager: Er verkauft Yeot, eine Süßware aus eingekochtem Malz und Getreide. Traditionell zogen die Yeot-Verkäufer durchs Land, fahrendes Volk, und beworben ihren Nachtisch performativ: Zu den Süßigkeiten gab es eine Showeinlage mit Gesang und Rhythmus-Begleitung, altes koreanisches Theater.

Da, wo die Bucht rund wird, steht ein kleines Café. Auch die Betreiber haben das niedrig angesetzte Renten-Eintrittsalter, in Südkorea üblicherweise 60 Jahre, längst überschritten. Der Mann guckt fern, die Frau steht hinter der Theke und brüht Kaffee, den man auch als Latte mit Süßkartoffel oder Matcha trinken kann.

Südkoreas Rentner kämpfen wegen niedriger Pension

Woran liegt das? Wahrscheinlich daran, dass die Armutsquote von Rentnern in Südkorea unter den OECD-Staaten mit über 40 Prozent am höchsten beziffert wird. Erst seit 1999 gilt die gesamte Bevölkerung als rentenversichert, und bezieht mit 550 Euro (Einzelperson) oder 885 Euro (für Ehepaare) eine monatliche Rente, die sich mit deutschen Maßstäben kaum vergleichen lässt. Der Schutzmechanismus, sich über die eigenen Kinder abzusichern, wirkt wacklig im Land, das eine der niedrigsten Geburtenraten aufweist. Südkorea zählt zu den am schnellsten alternden Gesellschaften der Welt zählt.

Restaurants mit Neon-Reklame säumen die kleine Strandpromenade, am Himmel kündigt sich der Sonnenuntergang an. Spezialität des Strandes: Grillrestaurants, in denen Meeresfrüchte auf den Rost kommen. Auch vor der Ladenfront warten Rentner, die die Menschen ins Geschäft locken. In einer Gaststätte sitzen im Erdgeschoss Paare, die auf runden Steinen angerichtetes Sashimi verputzen.

"Sagt mir Bescheid, wenn ihr einen netten deutschen Opa kennt"

Und im ersten Stock wird der Tischgrill angeworfen, daneben stehen Tellerchen mit Seetang-Salat und Beondegi, gerösteten Seidenwurm-Larven. Auf dem Grill brutzeln die bunten Muscheln, die sich von alleine aus der Schale lösen, wenn sie gar sind. Gedippt wird in Sojasoße und einer Mischung aus Essig und Gochujang, Chili-Paste. Geschnitten und gewendet werden die Spezialitäten vom persönlichen Tischservice – ja, auch eine Rentnerin. Sie kommt dreimal pro Woche zum Arbeiten, sagt sie. Und fügt hinzu: „Sagt mir Bescheid, wenn ihr einen netten Opa kennt, der alleine ist. Nach Deutschland will ich unbedingt nochmal.“